Mittwoch, 6. April 2016

Der erfundene Traum der dritten Hauptfigur



Hallihallo,

Man sagt, dass alle Helden jung sterben. Auch sagt man, dass solange jemand an einen denkt, man nie wirklich stirbt. Unser Leben kann also fortgesetzt werden, solange wir nicht in Vergessenheit geraten. Auch setzen wir das Leben anderer fort, indem wir an sie denken und in unseren Herzen wie Schütze hüten. Eine recht romantische, spirituelle Vorstellung, aber man kann das Leben und Werk eines Menschen auch praktisch fortsetzen und so vor dem Tod durch Vergessen bewahren. Genau so etwas ist dem Rowohlt-Verlag mit > Bilder deiner großen Liebe< von Wolfgang Herrndorf gelungen

Kostenpunkt: 9,99€

Wolfgang Herrndorf kam am 12. Juni 1965 in Hamburg zur Welt. Über seine Kindheit und Jugend ist kaum etwas bekannt, über sein Leben als Erwachsener dafür umso mehr.
In Nürnberg studierte er an der Akademie der Bildenden Künste Malerei. Anschließend arbeitete er sowohl als Illustrator wie auch als Autor unter anderem für die Satirezeitschrift Titanic, bevor er sich ganz aufs Schreiben fokussierte.

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Sein Debütroman > In Plüschgewittern < erschien 2002. Danach folgten zwei weitere Werke, bevor ihm 2010 mit dem Bildungsroman > Tschick < der große Wurf gelang.Über ein Jahr stand das Werk in den deutschen Bestsellerlisten und erhielt 2011 verdientermaßen den Deutschen Jugendliteraturpreis.
Im gleichen Jahr, in dem > Tschick < veröffentlicht wurde, stellte man aber auch einen bösartigen Hirntumor bei Herrndorf fest. 
Anstatt sich aufzugeben, wurde der Autor, dessen Markenzeichen ein Adidas-Trainingsjacke war, immer produktiver. Er startet seinen Blog, > Arbeit und Struktur< den er als digitales Tagebuch führt und erlebt noch wie sein Roman > Sand < 2011 veröffentlicht wird.
Am 26. August 2013 nimmt sich Herrndorf in Berlin selbst das Leben. Im Dezember desselben Jahres wird ihm zu Ehren sein Blog in Buchform veröffentlicht und der Rowohlt-Verlag befindet sich in der schwierigen Aufgabe, Wolfgang Herrndorfs allerletzten Roman > Bilder deiner großen Liebe < liebevoll zusammen zu puzzeln und zu veröffentlichen.


Der Roman > Bilder deiner großen Liebe < ist sowohl eine Fortsetzung des Bestsellers > Tschick < aus der Sicht der dritten Protagonistin Isa Schmidt, kann aber auch als eigenständiges Werk gesehen werden, in dem die Figuren aus > Tschick < nur einen Cameo-Auftritt hätten.
Wie auch immer man es deuten möchte, Hauptcharakter dieses Romans ist die vierzehnjährige Isa Schmidt. Nach einem gelungenen Ausbruch aus einer Nervenheilanstalt bricht sie in ein Abenteuer zu Fuß und weder sichtbares Ziel noch Ende auf. Dabei weiß man nie, was während ihrer Erzählungen wahr und wirklich und was Auswüchse ihres charmant verrückten Hirns sind. 
Realität und Traum verschmelzen ineinander und ziehen Umwelt wie andere Personen mit in ihren Bann.
Eine besondere Begegnung ist hierbei die mit dem taubstummen Olaf, der viel lieber Heinrich heißen würde und ein Schild um den Hals trägt, auf dem noch einmal steht, dass er weder hören noch sprechen kann. Trotzdem kann er sich ohne Probleme mit Isa unterhalten. 
Ob er nur ein Geschöpf ihrer Fantasie ist oder nicht wird dabei nicht geklärt, nur dass er glücklich ist und am nächsten Morgen verschwunden.
Mit der Zeit verliert sich Isa immer mehr in ihren Träumereien, sodass ihr weiterer Weg und die Personen, die sie dabei antrifft eine verrückte Schönheit besitzen. 
Auf einer alten Mülldeponie dann kommt sie mit den Protagonisten aus > Tschick < in Berührung. Zunächst sind diese von ihr abgeneigt, nehmen sie dann aber mit auf ihre Reise, nachdem Isa ihnen hilft, Benzin aus 
einem anderen Auto abzuzapfen. Einzig diese Stelle kann man wohl noch als realistisch bezeichnen, da man sie auch in > Tschick < wiederfinden kann. Ansonsten bleibt es bis zum abrupten Ende bezaubernd verschwommen und fantastisch unwirklich.


Um ehrlich zu sein, war schlussendlich nicht der Roman selbst, sondern seinen Entstehungsgeschichte sehr interessant. In den letzten Monaten seines Lebens traf Wolfgang Herrndorf noch wichtige Entscheidungen für das Werk. So legte er selbst den Titel fest und auch aus seinem Pinsel stammt das Gemälde auf dem Cover. Zu Ende schreiben konnte er es, aufgrund seines fortgeschrittenen Krebsstadiums nicht und auch seinem Wunsch, das jemand es als Ko-Autor beenden sollte, wollte und konnte niemand nachkommen. 
So willigte Wolfgang Herrndorf schließlich ein, > Bilder deiner großen Liebe < mit einem erklärenden Nachwort veröffentlichen zu lassen.
Um es aber dennoch veröffentlichen zu können, setzten Mitarbeiter des Rowohlt-Verlags, Freunde und Herrdorfs Frau Carola Wimmer das Manuskript und Fragmente aus einem zweiten Dokument mit dem Titel Verstreutes
in dem Herrndorf Varianten der Handlung, Einträge aus Wikipedia-Artikeln und „schöne Wörter“ wie „ Eigenmirage“ zu finden waren, zu einem Werk zusammen. Man handelte in Herrndorfs Sinne und versuchte so dicht am Stil des Autors und der Logik der Handlung zu bleiben. 
Gewisse Lücken und wirre Gedankenfetzen ließen sich dabei nicht vermeiden, machen das Werk aber auch erst so schön und verrückt wie es ist und wahrscheinlich auch sein sollte. 
Auch Wolfgang Herrndorf selbst und in gewisser Weise auch seinen Krebs, der ihm seine Konzentration nahm und zunehmend erschöpfte, kann man, nicht nur in einer Figur, die Isa auf einem Friedhof trifft und eine grüne Trainingsjacke trägt, erkennen, sodass er dank > Bilder deiner großen Liebe< nie ganz sterben wird.

liebst
Ellie♥

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