Dienstag, 7. Februar 2017

Ich bin hardcore. Ich bin der verfickte King.

Es ist immer wieder erstaunlich, wie viele Menschen dem unwirklichen Traum nacheifern, mit was auch immer und wie auch immer “berühmt“ zu werden. Es gibt tausende Castingsshows auf der Welt für jedes Talent und jeden IQ. 

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Wir denken wirklich, dass wir irgendwann doch ein Stück vom Kuchen ergattern können und merken nicht, wie das mächtige 1% der Weltbevölkerung nur sanft lächelt und den Kopf schüttelt. Ruhm ist ein Monster. Das von uns so glorifizierte Showbusiness ist nichts weiter ein blutiger Machtkampf. Kapitalismus in Reinform. Wer nicht mithält, wird am langen Arm versterben. 
Wer das nicht glaubt sollte vielleicht > Kill your friends< von John Niven lesen.


John Niven wurde an irgendeinem Tag im Jahre 1968 im schottischen Irvine geboren. Er besuchte die University of Glasgow und arbeitete dann bei verschiedenen Plattenfirmen in der Marketingabteilung und als A&R – Manager. A&R ist in der Musikbranche die Abteilung, die sich um die Entdeckung und Pflege neuer Talente zuständig ist. 
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Ein Job der sich recht einfach anhört es ist aber sowas von gar nicht ist. In seiner Karriere lehnt die (mittlerweile weltberühmte) Bands Coldplay und Muse ab, wodurch seiner jeweiligen Plattenfirma so viel Geld durch die Lappen geht, das es hier nicht weiter erwähnt werden sollte. Anfang der Zweitausender verlässt die Musikindustrie und schreibt seitdem lieber Romane, Drehbücher und Zeitungskolumnen. Mit >Kill your friends < gelang ihm 2005 der Durchbruch. Wohl auch, weil man durch Roman einen guten Einblick in die glitzernde, blutsaugende Welt der Plattenfirmen erhält.


1997. Steven Stelfox ist 27 und arbeitet als A&R – Agent bei einer großen Plattenfirma. Er hat alles, was den Lifestyle in der Glitzerwelt ausmacht aber weder einen wirklich populären Musikgeschmack noch genügend Acts an der Hand, die seine Stellung in der Firma schützen. Denn nur solange man erfolgreich neue Talente entdeckt und ansprechend an die Öffentlichkeit verkauft – sprich möglichst viel Profit macht – kann man bestehen. Es gibt in seiner Abteilung nur einen Kollegen, Waters, der sich noch schlechter schlägt als Steven selbst und entsprechend oft als Sündenbock herhalten muss. Trotzdem steht er mit im Rennen um den Posten zum Chef der A&R – Abteilung als schließlich der Vorgänger aufgrund von Fehlentscheidungen abdanken muss. Steven sieht seine Chance aber auch, dass Waters ihm höchstwahrscheinlich dabei im Wege stehen könnte, da er beliebter ist.


Hinzu kommt, dass Steven schon lange nicht mehr nach einer Glückssträhne greifen konnte und damit genauso wenig vorzuweisen hat wie Waters, da Steven eigentlich nicht wirklich arbeitet sondern eher sein Gehalt in Alkohol, Drogen und Sex investiert ( wie der Rest der Firma). Er entdeckt zu spät oder gar nicht das Potenzial einiger Acts. Diejenigen, die er unter Vertrag nimmt, sind offensichtlich zum Scheitern verurteilt. Auf seine Kollegen und deren Erfolge ist rasend eifersüchtig, aber anstatt an sich selbst und seinen Problemen zu arbeiten w#hlt er den einfachen Weg – und mordet sich an die Spitze.


Künstlers oder das Erweichen der Herzen durch süße Gesänge. Wie sollte es auch anders sein, wenn man ein so urmenschliches, freies Vergnügen wie Musik kommerzialisiert? Es geht ums Geld nicht um Gedanken.
So scheint es auch, dass man für den Beruf des A&R – Agenten nur zwei (bzw drei) Dinge braucht: ein Paar Ohren und einen Mund. Das Eine braucht man, um den fremdfabrizierten Mist aufzunehmen, das Andere, um den selbstfabrizierten Mist ausstoßen zu können. Steven lügt in einer Tour ohne dabei auch eine Spur rot zu werden und so tun es auch seinen Kollegen und Kontrahenten. Das Buch ist voller schnuckelig verpackten, substanzlosen Dialoge der Charaktere. Jeder kämpft und stirbt schlussendlich für sich allein. Das jedoch hat Steven verstanden. Geschickt spielt er schlussendlich alle gegeneinander aus. Alle bezahlen eine nie offen gestellte Rechnung.
John Niven weiß zu schocken. > Kill your friends < ist ein einziger Schmelztiegel aus Drogenmissbrauch, kranken Sexfantasien und brutaler, detaillierter Gewalt. Es gibt keinen Sympathieträger, aber das ist auch gar nicht vorgesehen. Zum Ende hin ist man so an das Gemisch aus Gefühlskälte und Dauerrausch gewöhnt, dass Einen genau diese Taubheit gegenüber dem Chaos wieder geschockt. Man wartet auf die nächste unwirkliche Grausigkeit – wie im echten Leben.

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2015 wurde > Kill your friends < mit Nicholas Hoult ( der schon in der ungepassten Serie >Skins< überzeugen konnte) verfilmt und von den Kritikern wie Publikum gefeiert. Viele bezeichnen sowohl Buch als auch Film als den >American Pyscho< des 21. Jahrhunderts. Die Parallelen sind unübersehbar. Wir lieben es einfach zu sehen, wenn die mächtigen 1% genauso düstere Triebe ausleben wie der Pöbel, wenn der goldene Lack langsam absplittert.


liebst
Ellie♥

1 Kommentar:

  1. Mh. Klingt interessant, nur irgendwie hab ich eh nicht vermutet, dass es da oben schöner und sorgenfreier ist als hier und mir ist so gar nicht nach solchen Büchern, also werde ich es, wenn ich es sehe, wohl einfach gekonnt ignorieren. Klingt so, als wäre es eines von diesen Büchern, die einem nicht eine Lektion erteilen wollen (so à la "Karin hat Magersucht - dududu, das ist schlecht, mach das nicht") sondern eines, das einfach nur aufzeigt was tatsächlich passiert, ohne etwas von dir zu erwarten, und solche Bücher sind sehr, sehr gut und sehr, sehr grausam. Ich glaube, dafür bin ich gerade wirklich zu glücklich.
    Wow, sehr konstruktiv. Also, neues Lebensziel: Nicht berühmt werden.

    Alles Liebe,
    Mara

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