Hallihallo,
Man sagt, dass alle Helden jung sterben. Auch sagt
man, dass solange jemand an einen denkt, man nie wirklich stirbt. Unser Leben
kann also fortgesetzt werden, solange wir nicht in Vergessenheit geraten. Auch
setzen wir das Leben anderer fort, indem wir an sie denken und in unseren
Herzen wie Schütze hüten. Eine recht romantische, spirituelle Vorstellung, aber
man kann das Leben und Werk eines Menschen auch praktisch fortsetzen und so vor
dem Tod durch Vergessen bewahren. Genau so etwas ist dem Rowohlt-Verlag mit
> Bilder deiner großen Liebe< von Wolfgang Herrndorf gelungen
Kostenpunkt: 9,99€ |
Wolfgang Herrndorf kam am 12. Juni 1965 in Hamburg
zur Welt. Über seine Kindheit und Jugend ist kaum etwas bekannt, über sein
Leben als Erwachsener dafür umso mehr.
In Nürnberg studierte er an der Akademie der
Bildenden Künste Malerei. Anschließend arbeitete er sowohl als Illustrator wie
auch als Autor unter anderem für die Satirezeitschrift Titanic, bevor er
sich ganz aufs Schreiben fokussierte.
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Sein Debütroman > In Plüschgewittern <
erschien 2002. Danach folgten zwei weitere Werke, bevor ihm 2010 mit dem
Bildungsroman > Tschick < der große Wurf gelang.Über ein Jahr stand das
Werk in den deutschen Bestsellerlisten und erhielt 2011 verdientermaßen den
Deutschen Jugendliteraturpreis.
Im gleichen Jahr, in dem > Tschick <
veröffentlicht wurde, stellte man aber auch einen bösartigen Hirntumor bei
Herrndorf fest.
Anstatt sich aufzugeben, wurde der Autor, dessen Markenzeichen
ein Adidas-Trainingsjacke war, immer produktiver. Er startet seinen Blog, >
Arbeit und Struktur< den er als digitales Tagebuch führt und erlebt noch wie
sein Roman > Sand < 2011 veröffentlicht wird.
Am 26. August 2013 nimmt sich Herrndorf in Berlin
selbst das Leben. Im Dezember desselben Jahres wird ihm zu Ehren sein Blog in
Buchform veröffentlicht und der Rowohlt-Verlag befindet sich in der schwierigen
Aufgabe, Wolfgang Herrndorfs allerletzten Roman > Bilder deiner großen Liebe
< liebevoll zusammen zu puzzeln und zu veröffentlichen.
Der Roman > Bilder deiner großen Liebe < ist
sowohl eine Fortsetzung des Bestsellers > Tschick < aus der Sicht der
dritten Protagonistin Isa Schmidt, kann aber auch als eigenständiges Werk
gesehen werden, in dem die Figuren aus > Tschick < nur einen
Cameo-Auftritt hätten.
Wie auch immer man es deuten möchte,
Hauptcharakter dieses Romans ist die vierzehnjährige Isa Schmidt. Nach einem
gelungenen Ausbruch aus einer Nervenheilanstalt bricht sie in ein Abenteuer zu
Fuß und weder sichtbares Ziel noch Ende auf. Dabei weiß man nie, was während
ihrer Erzählungen wahr und wirklich und was Auswüchse ihres charmant verrückten
Hirns sind.
Realität und Traum verschmelzen ineinander und ziehen Umwelt wie
andere Personen mit in ihren Bann.
Eine besondere Begegnung ist hierbei die mit dem
taubstummen Olaf, der viel lieber Heinrich heißen würde und ein Schild um den
Hals trägt, auf dem noch einmal steht, dass er weder hören noch sprechen kann.
Trotzdem kann er sich ohne Probleme mit Isa unterhalten.
Ob er nur ein Geschöpf
ihrer Fantasie ist oder nicht wird dabei nicht geklärt, nur dass er glücklich
ist und am nächsten Morgen verschwunden.
Mit der Zeit verliert sich Isa immer mehr in ihren
Träumereien, sodass ihr weiterer Weg und die Personen, die sie dabei antrifft
eine verrückte Schönheit besitzen.
Auf einer alten Mülldeponie dann kommt sie
mit den Protagonisten aus > Tschick < in Berührung. Zunächst sind diese
von ihr abgeneigt, nehmen sie dann aber mit auf ihre Reise, nachdem Isa ihnen
hilft, Benzin aus
einem anderen Auto abzuzapfen. Einzig diese Stelle kann man
wohl noch als realistisch bezeichnen, da man sie auch in > Tschick <
wiederfinden kann. Ansonsten bleibt es bis zum abrupten Ende bezaubernd
verschwommen und fantastisch unwirklich.
Um ehrlich zu sein, war schlussendlich nicht der
Roman selbst, sondern seinen Entstehungsgeschichte sehr interessant. In den
letzten Monaten seines Lebens traf Wolfgang Herrndorf noch wichtige Entscheidungen
für das Werk. So legte er selbst den Titel fest und auch aus seinem Pinsel
stammt das Gemälde auf dem Cover. Zu Ende schreiben konnte er es, aufgrund
seines fortgeschrittenen Krebsstadiums nicht und auch seinem Wunsch, das jemand
es als Ko-Autor beenden sollte, wollte und konnte niemand nachkommen.
So
willigte Wolfgang Herrndorf schließlich ein, > Bilder deiner großen Liebe
< mit einem erklärenden Nachwort veröffentlichen zu lassen.
Um es aber dennoch veröffentlichen zu können,
setzten Mitarbeiter des Rowohlt-Verlags, Freunde und Herrdorfs Frau Carola Wimmer das
Manuskript und Fragmente aus einem zweiten Dokument mit dem Titel Verstreutes,
in dem Herrndorf Varianten der Handlung, Einträge aus Wikipedia-Artikeln und
„schöne Wörter“ wie „ Eigenmirage“ zu finden waren, zu einem Werk zusammen. Man
handelte in Herrndorfs Sinne und versuchte so dicht am Stil des Autors und der
Logik der Handlung zu bleiben.
Gewisse Lücken und wirre Gedankenfetzen ließen
sich dabei nicht vermeiden, machen das Werk aber auch erst so schön und
verrückt wie es ist und wahrscheinlich auch sein sollte.
Auch Wolfgang
Herrndorf selbst und in gewisser Weise auch seinen Krebs, der ihm seine
Konzentration nahm und zunehmend erschöpfte, kann man, nicht nur in einer
Figur, die Isa auf einem Friedhof trifft und eine grüne Trainingsjacke trägt,
erkennen, sodass er dank > Bilder deiner großen Liebe< nie ganz sterben
wird.
liebst
Ellie♥
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