Meiner
Meinung nach, gibt es nur wirklich wenige gute Jugendbuchautoren.
Viele von ihnen haben wohl die fixe Idee, dass alle Halberwachsenen
auf flache Liebesgeschichten mit noch flacheren Figuren und
vorhersehbaren Handlungssträngen und nicht existenten Wendungen. Das
ist wirklich schade um die unzähligen Bäume die dafür sterben
müssen. Natürlich haben solche Geschichten ihren Reiz und können
ein guter Einstiege in die Literaturwelt sein, aber oftmals
enthalten diese Geschichten keine merkliche Entwicklung, was
eigentlich insbesondere für einen Jugendlichen wichtig ist.
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Ich
fühle mich wirklich unterschätzt und unmündig, wenn mir angeraten
wird, mich mit solchen Büchern mit Bis(s) befassen oder anderen
wenig geistreichen Schmonzetten, wo es doch eigentlich der Anreiz der
Jugendautoren sein sollte, die Köpfe und Herzen der Jugend für
wichtige Happen Literatur zu öffnen und uns somit für die Welt da
draußen zu sensibilisieren.
Zum
Glück gibt es aber Autoren, die sich diesem Trend widersetzen und
wirklich anspruchsvolle und doch auf Jugendliche zugeschnittene
Themen mit Zettel und Stift verarbeiten. Einer dieser Autoren ist
der unbeschreiblich fantastische John Green, der Andere heißt Morton
Rhue und ist mein persönlicher Liebling.
Todd
Strasser wurde am 5. Mai 1950 in New York geboren und schreibt sowohl
unter seinem eigenen Namen als auch mit seinem Pseudonym Morton Rhue,
einem Künstlernamen erstellt aus einem Wortspiel aus den
französischen Wörtern Mort ( Tod →
Todd) und Rhue ( Straße →
Strasser). 1979 wurde sein erster Roman > Angel Dust Blues<,
ein Werk das sich mit Jugendproblemen im Zusammenhang mit Drogen
thematisiert, veröffentlicht, nachdem er zuvor jahrelang als
Werbetexter und Reporter für verschiedene US – Magazine arbeitete
und gelegentlich kleine Kurzgeschichten veröffentlichte. Im gleichen
Jahr kaufte er sich zudem eine Glückskeksfabrik ( kein Witz),
weshalb er in den ersten Jahren als freier Autor mehr Glückskekse
als Bücher verkaufte und hauptsächlich davon seine Brötchen
bezahlte.
1981
erschien dann sein bis jetzt erfolgreichstes Werk > die Welle<,
ein Buch, dass wohl jeder irgendwie kennt, ob man es nun gelesen hat
oder nicht, einfach weil es so unglaublich polarisiert und das Thema
Ideologie und Propaganda erstaunlich sensibel und verständlich für
Jugendliche umgesetzt hat und zeigt, wie schnell ein Experiment
ausarten kann, wenn die Schwarmintelligenz fehlschlägt.
Mittlerweile
gilt Todd Strasser als einer der bedeutsamsten Jugendautoren unserer
Zeit, der auch haarige Themen nicht scheut, sie sogar präzise
aussucht und aufarbeitet. Wenn er nicht schreibt oder in Schulen
Lesungen hält, geht er surfen oder schreibt die Texte für seine
Glückskekse fein säuberlich mit Tinte auf die kleinen Blättchen. (
Gut, das Letzte war jetzt gelogen, aber cool wäre es schon.)
Kostenpunkt: 6,95€ |
Eines
meiner Lieblingsbücher von Morton Rhue/ Todd Strasser ist >Boot
Camp< und dieses fantastische 279 – seitige Werk ist es absolut
wert vorgestellt zu werden.
Connor
ist 16 und eigentlich ein normaler, wenn nicht sogar perfekter Sohn (
er wird als 1,93m groß, hochbegabt, stark, muskulös, breitschultrig
und aus einer wohlhabenden Familie kommend beschrieben – was ja
jetzt nicht gerade unattraktiv ist) und hat in seinem Leben keine
Schwierigkeiten, bis er sich in seine 10 Jahre ältere Lehrerin
verliebt und sie sich auch in ihn. Da seine Eltern, insbesondere
seine Mutter, die selbst gerne über andere lästert, aber nichts auf
ihren Ruf kommen lässt, unverständliches Kopfschütteln der
Nachbarn und abschätzende Blicke vermeiden wollen, lassen sie
Sabrina vom Lehramt suspendieren und schicken ihren kleine Liebling
Connor in ein Umerziehungslager, wo er wieder den Pfad der Tugend
finden soll.
Das
Umerziehungslager hat den unpassenden und grotesken Namen Lake
Harmony und verpflichtet sich gegenüber den Eltern, die aufmüpfigen
Kinder nach ihren Wünschen zu formen, um sie so zu besseren Menschen
zu machen. Das Prinzip eines Boot Camp beruht darauf aus kriminellen
oder eben „aufmüpfigen“ Jugendlichen wertvolle Mitglieder für
die Gesellschaft zu machen.Die Bezeichnung „aufmüpfig“ ist
jedoch genauso abwegig wie das Camp selbst, da die meisten der hier
einsitzenden Kinder keine wirklichen Fehler begangen haben und im
Prinzip nur für ihre pubertären Aufbruchsgedanken oder ihre
individuellen Stärken und Schwächen bestraft werden. So freundet
sich Connor mit Sarah und Pauly an, die genau wie er umerzogen werden
müssen.
Sarahs
Vater ist ein Hohepriester der Mormonen, der sein Töchterchen nach
vor zwei Jahren ins Camp geschickt hat, weil sie seine religiösen
Vorstellungen nicht mehr vertreten konnte. Daraufhin verliert Sarah
jeglichen Lebensmut und verweigert das Essen, während sie sich immer
wieder selbst verletzt.
Pauly
wiederum ist von Natur aus ein eher schmächtiger Junge, der seit
neun Monaten seine Zeit in Lake Harmony verbringt, um den Wunsch
seines Vaters zu entsprechen, der sich einen starken und mutigen
Jungen wünscht. Während seines Aufenthalts wird Pauly regelmäßig
von den Aufsehern verprügelt und schafft es nicht, über Stufe 1 des
Umerziehungsplans hinaus zu kommen.
Man
darf das Camp nämlich ausschließlich verlassen, wenn man sich dem
System angepasst hat, sich demzufolge an die Regeln zu halten, die in
einer „ Bibel“ zusammengefasst werden und von den Insassen
auswendig gelernt werden müssen, um schlussendlich die oberste Stufe
zu erreichen. Die oberste Stufe zu erreichen ist jedoch eine
unmögliche Aufgabe, da man für jeden noch so winzigen Verstoß
Minuspunkte bekommt und seine vollständige Identität aufgeben muss,
um den Regeln zu entsprechen.
Auch
gibt es die vage Möglichkeit, von seinen Eltern abgeholt werden zu
können, wodurch auch die Umerziehung beendet wird. Das passiert aber
selten bis eigentlich gar nicht, da den Jugendlichen die
Kommunikation mit ihren Eltern verboten ist, bis auf ein paar Briefe,
in denen sie jedoch nicht ihre wirkliche Lage beschreiben dürfen,
sondern ihren Eltern danken und die Umstände im Camp verschönern
sollen. Die letzte Möglichkeit ist, der Ausstieg, wenn man
Volljährig ist, aber ist für die meisten Jugendlichen eine zu lange
Wartezeit, zudem gibt es immer noch die Möglichkeit, ihnen die
Mündigkeit zu entziehen.
Es
gibt also keine wirkliche Chance, Lake Harmony zu entfliehen, da das
gesamte Camp einem Hochsicherheitstrakt ähnelt und sowohl Wärter
als auch höhergestufte Mitinsassen unglaublich brutal die Regeln des
Camps durchsetzen und Demütigung und Folter zum Alltag für die
Jugendlichen gehören. Trotzdem versuchen Connor, Sarah und Pauly ihr
Glück und wagen einen riskanten Fluchtversuch.
Weiter
vorauseilen möchte ich in der Handlung nicht, weil ich denjenigen,
die das Buch lesen möchte, nicht die Lust verderben möchte, aber
ich kann sagen, dass wer Morton Rhue kennt, der weiß, dass es
oftmals nicht in einem kitschig rosa plüschigen Happy End endet
sondern drastisch die Realität offenbart. Die Geschichte ist
wirklich sehr berührend und dabei bedrückend und ich schäme mich
nicht, zu sagen, dass ich ( wie irgendwie immer bei Morton Rhue)
weinen musste, weil es einfach nur grausam war, weil es so wahrhaftig
und ungeschönt war.
Trauriger
>Boot Camp< selbst ist jedoch der wahre Hintergrund dahinter.
Wie schon erwähnt, setzt sich Morton Rhue immer mit wirklichen
Problemen unserer Gesellschaft auseinander und kritisiert in diesem
Fall die Boot Camps in den USA deren Anzahl tagtäglich steigt und
immer neue Foltermethoden entwickelt mit dem Ziel, die eigene Jugend
zu brechen.
Das
Wort Boot Camp bezieht sich auch auf die schweren Stiefel, die die
Insassen tragen müssen, um ihr Leben im Camp und auch die mögliche
Flucht zu erschweren. In anderen Gebieten ist man auf Flip Flops mit
möglichst dünnen Sohlen übergegangen, was den gleichen Effekt hat.
Morton Rhue wählt die zweite Schuhvariante und lässt alle realen
Methoden der Boot Camps in sein fiktives Lake Harmony einfließen.
Mangelnde
ärztliche Versorgung, ungenießbares Essen und ein chancenloses
Aufstiegssystem mit einem Regelbuch, dass von Wärtern wie Insassen
gleichermaßen grausam befolgt wird, gehören ebenso zur Realität im
amerikanischen Bildungssystem wie das unmenschliche Bewachungssystem
mit Bewegungsmeldern und dutzenden Überwachungskameras, die klar
gegen die Menschenrechte verstoßen, aber vom Staat kaum geahndet
werden, da viel vertuscht und verschönert wird, auch wenn die
Straftaten von den Camps selbst akribisch dokumentiert werden.
Wie
im Buch, werden die Jugendlichen gequält und umerzogen, für
Kleinigkeiten die eigentlich zu ganz normalen pubertären
Ausrutschern zählen oder ein Zeichen der eigenen
Selbstverwirklichung darstellen. Die Jugendlichen entsprechen den
Wünschen ihrer Eltern nicht, weil sie nicht gut genug in der Schule
sind, eine depressive Phase durchmachen und einfach unmotiviert sind,
sich homosexuell orientiert haben oder ungewollt schwanger geworden
sind. Auch gab es schon den Fall, dass ein Mädchen umerzogen werden
musste, weil ihre Eltern ihren Freund nicht mochten.
Die
Jugendlichen sind unbeschreiblichen Qualen und Schikanen ausgesetzt,
die sie nicht zu besseren Menschen machen sondern einfach nur
zerstören und seelisch verkrüppelt zurück lassen. Die
Aufenthaltsdauer in einem Boot Camp beträgt im Schnitt 1 – 3
Jahre, wobei die Zeit nach oben hin trotzdem offen ist. In den
letzten 20 Jahren haben die Zeit jedoch 65 Jugendliche geschafft. Sie
sind bei ihrer „ Umerziehung“ verstorben und sprechen für
Grausamkeit der Camps, aber auch für die Ohnmacht der Gesellschaft
die ihre eigenen Kinder frisst.
liebst
Elli♥
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