Sonntag, 8. Februar 2015

Flucht ist ausgeschlossen.

Hallihallo,


Meiner Meinung nach, gibt es nur wirklich wenige gute Jugendbuchautoren. Viele von ihnen haben wohl die fixe Idee, dass alle Halberwachsenen auf flache Liebesgeschichten mit noch flacheren Figuren und vorhersehbaren Handlungssträngen und nicht existenten Wendungen. Das ist wirklich schade um die unzähligen Bäume die dafür sterben müssen. Natürlich haben solche Geschichten ihren Reiz und können ein guter Einstiege in die Literaturwelt sein, aber oftmals enthalten diese Geschichten keine merkliche Entwicklung, was eigentlich insbesondere für einen Jugendlichen wichtig ist. 

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Ich fühle mich wirklich unterschätzt und unmündig, wenn mir angeraten wird, mich mit solchen Büchern mit Bis(s) befassen oder anderen wenig geistreichen Schmonzetten, wo es doch eigentlich der Anreiz der Jugendautoren sein sollte, die Köpfe und Herzen der Jugend für wichtige Happen Literatur zu öffnen und uns somit für die Welt da draußen zu sensibilisieren.
Zum Glück gibt es aber Autoren, die sich diesem Trend widersetzen und wirklich anspruchsvolle und doch auf Jugendliche zugeschnittene Themen mit Zettel und Stift verarbeiten. Einer dieser Autoren ist der unbeschreiblich fantastische John Green, der Andere heißt Morton Rhue und ist mein persönlicher Liebling.


Todd Strasser wurde am 5. Mai 1950 in New York geboren und schreibt sowohl unter seinem eigenen Namen als auch mit seinem Pseudonym Morton Rhue, einem Künstlernamen erstellt aus einem Wortspiel aus den französischen Wörtern Mort ( Tod → Todd) und Rhue ( Straße → Strasser). 1979 wurde sein erster Roman > Angel Dust Blues<, ein Werk das sich mit Jugendproblemen im Zusammenhang mit Drogen thematisiert, veröffentlicht, nachdem er zuvor jahrelang als Werbetexter und Reporter für verschiedene US – Magazine arbeitete und gelegentlich kleine Kurzgeschichten veröffentlichte. Im gleichen Jahr kaufte er sich zudem eine Glückskeksfabrik ( kein Witz), weshalb er in den ersten Jahren als freier Autor mehr Glückskekse als Bücher verkaufte und hauptsächlich davon seine Brötchen bezahlte.
1981 erschien dann sein bis jetzt erfolgreichstes Werk > die Welle<, ein Buch, dass wohl jeder irgendwie kennt, ob man es nun gelesen hat oder nicht, einfach weil es so unglaublich polarisiert und das Thema Ideologie und Propaganda erstaunlich sensibel und verständlich für Jugendliche umgesetzt hat und zeigt, wie schnell ein Experiment ausarten kann, wenn die Schwarmintelligenz fehlschlägt.

Mittlerweile gilt Todd Strasser als einer der bedeutsamsten Jugendautoren unserer Zeit, der auch haarige Themen nicht scheut, sie sogar präzise aussucht und aufarbeitet. Wenn er nicht schreibt oder in Schulen Lesungen hält, geht er surfen oder schreibt die Texte für seine Glückskekse fein säuberlich mit Tinte auf die kleinen Blättchen. ( Gut, das Letzte war jetzt gelogen, aber cool wäre es schon.)

Kostenpunkt: 6,95€

Eines meiner Lieblingsbücher von Morton Rhue/ Todd Strasser ist >Boot Camp< und dieses fantastische 279 – seitige Werk ist es absolut wert vorgestellt zu werden.
Connor ist 16 und eigentlich ein normaler, wenn nicht sogar perfekter Sohn ( er wird als 1,93m groß, hochbegabt, stark, muskulös, breitschultrig und aus einer wohlhabenden Familie kommend beschrieben – was ja jetzt nicht gerade unattraktiv ist) und hat in seinem Leben keine Schwierigkeiten, bis er sich in seine 10 Jahre ältere Lehrerin verliebt und sie sich auch in ihn. Da seine Eltern, insbesondere seine Mutter, die selbst gerne über andere lästert, aber nichts auf ihren Ruf kommen lässt, unverständliches Kopfschütteln der Nachbarn und abschätzende Blicke vermeiden wollen, lassen sie Sabrina vom Lehramt suspendieren und schicken ihren kleine Liebling Connor in ein Umerziehungslager, wo er wieder den Pfad der Tugend finden soll.

Das Umerziehungslager hat den unpassenden und grotesken Namen Lake Harmony und verpflichtet sich gegenüber den Eltern, die aufmüpfigen Kinder nach ihren Wünschen zu formen, um sie so zu besseren Menschen zu machen. Das Prinzip eines Boot Camp beruht darauf aus kriminellen oder eben „aufmüpfigen“ Jugendlichen wertvolle Mitglieder für die Gesellschaft zu machen.Die Bezeichnung „aufmüpfig“ ist jedoch genauso abwegig wie das Camp selbst, da die meisten der hier einsitzenden Kinder keine wirklichen Fehler begangen haben und im Prinzip nur für ihre pubertären Aufbruchsgedanken oder ihre individuellen Stärken und Schwächen bestraft werden. So freundet sich Connor mit Sarah und Pauly an, die genau wie er umerzogen werden müssen.
Sarahs Vater ist ein Hohepriester der Mormonen, der sein Töchterchen nach vor zwei Jahren ins Camp geschickt hat, weil sie seine religiösen Vorstellungen nicht mehr vertreten konnte. Daraufhin verliert Sarah jeglichen Lebensmut und verweigert das Essen, während sie sich immer wieder selbst verletzt.
Pauly wiederum ist von Natur aus ein eher schmächtiger Junge, der seit neun Monaten seine Zeit in Lake Harmony verbringt, um den Wunsch seines Vaters zu entsprechen, der sich einen starken und mutigen Jungen wünscht. Während seines Aufenthalts wird Pauly regelmäßig von den Aufsehern verprügelt und schafft es nicht, über Stufe 1 des Umerziehungsplans hinaus zu kommen.


Man darf das Camp nämlich ausschließlich verlassen, wenn man sich dem System angepasst hat, sich demzufolge an die Regeln zu halten, die in einer „ Bibel“ zusammengefasst werden und von den Insassen auswendig gelernt werden müssen, um schlussendlich die oberste Stufe zu erreichen. Die oberste Stufe zu erreichen ist jedoch eine unmögliche Aufgabe, da man für jeden noch so winzigen Verstoß Minuspunkte bekommt und seine vollständige Identität aufgeben muss, um den Regeln zu entsprechen.
Auch gibt es die vage Möglichkeit, von seinen Eltern abgeholt werden zu können, wodurch auch die Umerziehung beendet wird. Das passiert aber selten bis eigentlich gar nicht, da den Jugendlichen die Kommunikation mit ihren Eltern verboten ist, bis auf ein paar Briefe, in denen sie jedoch nicht ihre wirkliche Lage beschreiben dürfen, sondern ihren Eltern danken und die Umstände im Camp verschönern sollen. Die letzte Möglichkeit ist, der Ausstieg, wenn man Volljährig ist, aber ist für die meisten Jugendlichen eine zu lange Wartezeit, zudem gibt es immer noch die Möglichkeit, ihnen die Mündigkeit zu entziehen.
Es gibt also keine wirkliche Chance, Lake Harmony zu entfliehen, da das gesamte Camp einem Hochsicherheitstrakt ähnelt und sowohl Wärter als auch höhergestufte Mitinsassen unglaublich brutal die Regeln des Camps durchsetzen und Demütigung und Folter zum Alltag für die Jugendlichen gehören. Trotzdem versuchen Connor, Sarah und Pauly ihr Glück und wagen einen riskanten Fluchtversuch.
Weiter vorauseilen möchte ich in der Handlung nicht, weil ich denjenigen, die das Buch lesen möchte, nicht die Lust verderben möchte, aber ich kann sagen, dass wer Morton Rhue kennt, der weiß, dass es oftmals nicht in einem kitschig rosa plüschigen Happy End endet sondern drastisch die Realität offenbart. Die Geschichte ist wirklich sehr berührend und dabei bedrückend und ich schäme mich nicht, zu sagen, dass ich ( wie irgendwie immer bei Morton Rhue) weinen musste, weil es einfach nur grausam war, weil es so wahrhaftig und ungeschönt war.


Trauriger >Boot Camp< selbst ist jedoch der wahre Hintergrund dahinter. Wie schon erwähnt, setzt sich Morton Rhue immer mit wirklichen Problemen unserer Gesellschaft auseinander und kritisiert in diesem Fall die Boot Camps in den USA deren Anzahl tagtäglich steigt und immer neue Foltermethoden entwickelt mit dem Ziel, die eigene Jugend zu brechen.
Das Wort Boot Camp bezieht sich auch auf die schweren Stiefel, die die Insassen tragen müssen, um ihr Leben im Camp und auch die mögliche Flucht zu erschweren. In anderen Gebieten ist man auf Flip Flops mit möglichst dünnen Sohlen übergegangen, was den gleichen Effekt hat. Morton Rhue wählt die zweite Schuhvariante und lässt alle realen Methoden der Boot Camps in sein fiktives Lake Harmony einfließen.
Mangelnde ärztliche Versorgung, ungenießbares Essen und ein chancenloses Aufstiegssystem mit einem Regelbuch, dass von Wärtern wie Insassen gleichermaßen grausam befolgt wird, gehören ebenso zur Realität im amerikanischen Bildungssystem wie das unmenschliche Bewachungssystem mit Bewegungsmeldern und dutzenden Überwachungskameras, die klar gegen die Menschenrechte verstoßen, aber vom Staat kaum geahndet werden, da viel vertuscht und verschönert wird, auch wenn die Straftaten von den Camps selbst akribisch dokumentiert werden.


Wie im Buch, werden die Jugendlichen gequält und umerzogen, für Kleinigkeiten die eigentlich zu ganz normalen pubertären Ausrutschern zählen oder ein Zeichen der eigenen Selbstverwirklichung darstellen. Die Jugendlichen entsprechen den Wünschen ihrer Eltern nicht, weil sie nicht gut genug in der Schule sind, eine depressive Phase durchmachen und einfach unmotiviert sind, sich homosexuell orientiert haben oder ungewollt schwanger geworden sind. Auch gab es schon den Fall, dass ein Mädchen umerzogen werden musste, weil ihre Eltern ihren Freund nicht mochten.
Die Jugendlichen sind unbeschreiblichen Qualen und Schikanen ausgesetzt, die sie nicht zu besseren Menschen machen sondern einfach nur zerstören und seelisch verkrüppelt zurück lassen. Die Aufenthaltsdauer in einem Boot Camp beträgt im Schnitt 1 – 3 Jahre, wobei die Zeit nach oben hin trotzdem offen ist. In den letzten 20 Jahren haben die Zeit jedoch 65 Jugendliche geschafft. Sie sind bei ihrer „ Umerziehung“ verstorben und sprechen für Grausamkeit der Camps, aber auch für die Ohnmacht der Gesellschaft die ihre eigenen Kinder frisst.

liebst
Elli

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