Samstag, 27. September 2014

Hart aufs Maul - aber mit philosophischem Anspruch



Hallihallo,

Sicherlich kennt jeder von euch diese schnulzigen Heimatfilme, die irgendwie alle in den bayrischen Bergwelten spielen und wo es meistens um bedirndlelte Mädchen und Buben in Lederhosen geht, die beim Ziegenhüten zueinander finden. Obwohl die ja noch nicht die schlimmste Form der Heimatliebe sind.
Wahrscheinlich habt ihr auch schon im lokalen Supermarkt diese kleinen, auf halbvergilbten Papier, gedruckten Schmonzetten gesehen, die eh niemand kauft ( wodurch die komische Farbe des Papiers ergründet wäre) und die sich von den obengenannten Filmen insofern abgrenzen, als das in ihren hochoriginellen Geschichten, dann ein gutaussehender, sanftmütiger Bergdoktor die Rolle des lederbehosten Ziegenhirten übernimmt.
Nun ich bin ein großer Fan dieser Heimatgeschichten und das war gerade eine glatte Lüge. Was daran liegen könnte, weil ich noch nicht über siebzig Jahre alt bin und mit meinen vierzehn Katzen im Schaukelstuhl sitze und beim Klöppeln das lese.
( Obwohl ich mir so ehrlich gesagt meine Zukunft vorstelle. Dann werde ich die Geschichten vom Seppi und der Maria verschlingen.).

Gut ich habe gerade ziemlich übertrieben, aber irgendwie rufen  solche Heimatgeschichten immer dieses Klischee bei mir auf. Deshalb war zunächst ein wenig skeptisch, als ich den Untertitel des Buches las, das Mama mir aus den Tiefen ihres Bücherschrankes hervorgeholt hat und um das es hier geht.
„ Familienschlacht in Knockimdowney – Erzählungen aus dem irischen Landleben“ von William Carleton ist nämlich das heutige Buch der Stunde. Zugegeben, ich konnte mir schlecht vorstellen, dass unsere Büchersammlung einen Alpenroman enthält, aber man weiß ja nie.
Mister Carletons Werk ist aber gar nicht mit einer solchen Abscheulichkeit zu vergleichen, aus dem einfachen Grund, weil dieses Buch einfach nur einschlägt, wie eine tüchtige irische Faust in eine ebenfalls irische, jedoch feindliche Fresse.

Ich bin, logischerweise seit ich lesen kann, eingefleischter Kurzgeschichtenfan. Nicht, weil ich nicht gerne lese, sondern weil sie so detailliert und kurzbündig sind, nicht so wie ihre schwafelnden großen Brüder.
In „ Familienschlacht in Knockimdowney“ findet man vier von ihnen, die mich, vom Stil her an Roald Dahl erinnert haben, der auch wunderschöne, aber überaus skurrile Kurzgeschichten geschrieben hat. Allesamt sind die Geschichten sehr unterhaltend, überraschend im Verlauf und doch herrlich sinnfrei.

In der ersten Geschichte „ Phelim O’Tooles Brautschau“ geht es um den gleichnamigen Nichtsnutz Phelim , der sich seiner irischen Bauernschläue aus dem nichtigen Bund der Ehe mogeln will, dabei mehrere Frauen um Geld und Jungfräulichkeit bringt, am Ende jedoch auf eine Reise ohne Wiederkehr in die damalige, beschauliche Gefängniskolonie Australien aufmacht.
Als nächstes beschäftigt sich William Carleton, selbst ein Paddy. in „ die Geschichte von Larry und Sally“ mit eben diesem Pärchen, das verheißungsvoll startet, aber schon bald ihrem ausschweifenden Lebensstil zum Opfer fällt. Das nimmt so etwa 1/3 der gesamten Handlung ein, danach folgt die Totenwache. Hier wird dann recht anschaulich beschrieben, was Alles getrieben wird, um nicht ein zu schlafen, da man bei einer Totenwache den ganzen Tag wach bleiben muss. Carleton erzählt von den Spielen, die die unverheirateten, jungen Dorfbewohner miteinander spielen, die entweder auf eine ordentliche Prügelei oder heftiges Techtelmechtel hinauslaufen. Kein Witz. Entweder brechen sich die Kerle gegenseitig die Hände oder man befühlt mit eben diesen die weiblichen Körper.
Überhaupt scheint gutbürgerliches Gekloppe ziemlich wichtig für die damalige Zeit in Irland gewesen zu sein, was auch die dritte Geschichte „ Familienschlacht in Knockimdowney“ beweist. Hier wird die Fehde zweier Familien, den O’Hallaghans und den O’Callaghans, deren Namen sich lustigerweise ähneln, wer hätte das gedacht, beschrieben. Die beiden Sippen treffen sich alle Jahre wieder, um sich ordentlich aufs Maul zu geben. Als sich dann auch noch John O’Callaghan in die hübsche Rose O’Hallaghan ist die irische Hommage von Romeo und Julia komplett. Ebenso wie der Klassiker kann auch hier die Liebe nicht bestehen, aber zuvor wird euphorisch die Kampfhandlung beschrieben, die als nationaler Volkssport gefeiert wird. Carleton schreibt so bildhaft, verliebt und geistreich von der Sippenschlacht, dass diese fast schon einen philosophischen Status erhält, da man hier wirklich mal über das Leben und wie schnell es doch ausgelöscht werden kann, nachdenkt. Trotzdem hat man nach dem Lesen das arge Gefühl, dass William Carleton als Kind doch etwas oft vom Wickeltisch gefallen ist.
„ Phil Purcel der Schweinetreiber“, die letzte Geschichte handelt von dem gleichnamigen, pfiffigen Borstenviehhüter Phil Purcel, der im versnobten England mit seinen schlauen irischen Schweinchen die Landgutsbesitzer übers Ohr haut und dadurch großen Reichtum erlangt, den er brav wieder ins geliebte Mutterland Irland trägt. Hier kommt es aber nicht zu einer Prügelei, was verwundert, ja fast enttäuscht.


Wer also mal richtige, ehrliche Heimatgeschichten oder von einer ordentlichen Prügelei lesen möchte, dem empfehle ich wirklich „ Familienschlacht in Knockimdowney“ von William Carleton. Die Geschichten spielen im 18-19 Jahrhundert und haben dementsprechend noch die schöne alte Sprache und kreative Kraftausdrücke und Flüche zu bieten, was ich persönlich sehr schön finde. Auch hat man hinten im Buch ein kleines Glossar mit Anmerkungen, um die Geschichten besser verstehen zu können. Ich fand das Buch wirklich gut, obwohl es mich auch verstört hat, keine Frage. Aber dank des Buches weiß ich jetzt, dass, wenn mich ein Ire zum Spiel „ Heiße Pranke“ einlädt, ich so schnell weg renne wie ich kann, außer ich will mit gebrochenen Händen ins Krankenhaus.

liebst
Elli

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