Sonntag, 12. Oktober 2014

Erzähl, wie's sein wird



Hallihallo,



Es gibt wenige Autoren die die Gabe besitzen, in mit wenigen Seiten Prachtbauten der Erzählkunst erbauen können. Noch weniger zählt man, die es dabei schaffen, alle, dem Mensch bekannten Emotionen, dabei zu aktivieren und wahre Gefühlfluten unsere Herzen durchströmen zu lassen. John Steinbeck ist einer von Ihnen.




Steinbecks 1917 erstmals veröffentlichter Roman „Von Mäusen und Menschen“ gilt als großartiges Meisterwerk der amerikanischen Erzählkunst und ist eines meiner Lieblingsbücher. Es ist schmal -  es zählt nur schlappe 125 Seiten -  und doch sagt es mehr, als andere Bücher, die auch mit über 500 Seiten nichts als inhaltslose, gefühlskalte Blätterberge sind, bei denen man nur um gefällten Bäume trauert.

Es fällt mir nicht leicht, über das Buch zu berichten, weil ich jedes Mal, wenn ich an daran denke, in Tränen ausbreche. Deswegen kann ich auch einfach nicht die gesamte Handlung erläutern, sondern werde hier die Inhaltsangabe von dtv angeben, denn schon jetzt habe ich wieder einen Kloß im Hals. Hoffentlich ihr könnt das entschuldigen. Ich habe selber wirklich unzählige Male probiert, eine eigene Inhaltsangabe zu schreiben, konnte aber nie die letzten Sätze eintippen, so sehr haben meine Hände gezittert.



George und der bärenstarke, aber

einfältige Lennie ziehen zusammen

übers Land, um sich als Erntehelfer

ein paar Dollar zu verdienen.

Ihr großer Traum ist eine eigene

kleine Farm…

(dtv)





Diese kurze Inhaltsangabe kann nicht die Intensität und Tragik der Handlung widerspiegeln, sie lockt schließlich nur. John Steinbeck schüttet so viele Reize für Hirn und Herz in sein kleines Meisterwerk. Ich weine nicht oft, auch nicht nach noch so tragischen Büchern, aber, als ich 
„ Von Mäusen und Menschen“ ausgelesen hatte, habe ich geheult, bis ich keine Tränen mehr zur Verfügung hatte.

Die gesamte Handlung ist einfach nur trist und hoffnungslos, jeder noch so kleine Funken Hoffnung wird zertreten wie ein Schmetterling mit taufeuchten Flügeln.

Trotzdem ist das Buch einfach nur wundervoll, weil man wieder merkt, dass man ein Mensch ist, der Mitleid für fiktive Personen empfinden kann. Unterschwellig kritisiert John Steinbeck mithilfe seines liebevollen Dummkopfs Lennie, unsere eigene Gefühlskälte und Ignoranz. Das ist, was mich so berührt. Diese unbändige Kraft der Gefühle, die von diesen wenigen Seiten ausgeht, ist so elektrisierend und anziehend. Es sprüht fesselnde Funken. Man kann das Buch einfach nicht zur Seite legen, bis man es ausgelesen hat, obwohl man sich vor dem Ende fürchtet. Man weiß, wie es ausgeht, hofft aber bis zur letzten Zeile.

1992 wurde das Buch verfilmt, mit Gary Sinise als George und John Malkovich als Lennie in den Hauptrollen. Meiner Meinung ist es eine gelungene, herzerweichende Verfilmung und ein wahres Schmuckstück der Kinogeschichte. Alle Schauspieler spielen so intensiv und einfühlsam, wie man es selten in unserer abgestumpften Unterhaltungsindustrie findet. Sowohl Buch als auch Film sind absolute Juwele menschlicher Kreativität und Empfindsamkeit und wenigstens eine Version sollte man sich vor Augen geführt haben.

John Steinbeck, der am 27. Februar 1902 das Licht von Salinas (Kalifornien) erblickte, wurde zu Recht 1962, sechs Jahre vor seinen Tod, mit dem Literaturnobelpreis ausgezeichnet. Jeder, der „ Von Mäusen und Menschen“ gelesen und auch verstanden hat, wird mir da zustimmen. 

liebst
Elise






2 Kommentare:

  1. Irgendwie habe ich mich vor zwei Wochen an diesen Post erinnert, als ich bei Nina "Of Mice and Men" im Regal stehen sah und ich glaube, es gibt kaum einen Charakter, der mich bisher so sehr gerührt hat wie Lennie (obwohl ich mir John Malkovich gerade absolut nicht in der Rolle vorstellen kann, nachdem ich ihn letztens als gefühlskalten Inspektor Javert in "Les Misérables" gesehen habe). Es ist so furchtbar tragisch, was im Leben passiert, worauf wir keinen Einfluss haben und wie aus einem gut gemeinten Lächeln Dinge entstehen, hinter denen alle anderen eine grausame Fratze sehen.
    Furchtbar. Das ist wirklich ein furchtbares Buch, aber ein sehr, sehr gutes.

    Alles Liebe,
    Mara

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    1. Zunächst konnte ich mir John Malkovich auch nicht so wirklich als Lennie vorstellen, aber wenn man ihn im Film sieht, verwirft man diesen Gedanken sofort. Er spielt so unglaublich gefühlvoll und hatte mich schon in den ersten Sekunden mit seinem naiven Lächeln gefangen. Schon wenn ich nur daran denke, kommen mir wieder die Tränen in die Augen und mein Magen verkrampft sich. Wie kann ein so schmales Buch nur so grausam gut sein?

      liebst
      Ellie

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