Es
ist immer wieder erstaunlich, wie viele Menschen dem unwirklichen
Traum nacheifern, mit was auch immer und wie auch immer “berühmt“
zu werden. Es gibt tausende Castingsshows auf der Welt für jedes
Talent und jeden IQ.
![]() |
source |
Wir denken wirklich, dass wir irgendwann doch
ein Stück vom Kuchen ergattern können und merken nicht, wie das
mächtige 1% der Weltbevölkerung nur sanft lächelt und den Kopf
schüttelt. Ruhm ist ein Monster. Das von uns so glorifizierte
Showbusiness ist nichts weiter ein blutiger Machtkampf. Kapitalismus
in Reinform. Wer nicht mithält, wird am langen Arm versterben.
Wer
das nicht glaubt sollte vielleicht > Kill your friends< von
John Niven lesen.
John
Niven wurde an irgendeinem Tag im Jahre 1968 im schottischen Irvine
geboren. Er besuchte die University of Glasgow und arbeitete dann bei
verschiedenen Plattenfirmen in der Marketingabteilung und als A&R
– Manager. A&R ist in der Musikbranche die Abteilung, die sich
um die Entdeckung und Pflege neuer Talente zuständig ist.
![]() |
source |
Ein Job
der sich recht einfach anhört es ist aber sowas von gar nicht ist.
In seiner Karriere lehnt die (mittlerweile weltberühmte) Bands
Coldplay und Muse ab, wodurch seiner jeweiligen Plattenfirma so viel
Geld durch die Lappen geht, das es hier nicht weiter erwähnt werden
sollte. Anfang der Zweitausender verlässt die Musikindustrie und
schreibt seitdem lieber Romane, Drehbücher und Zeitungskolumnen. Mit
>Kill your friends < gelang ihm 2005 der Durchbruch. Wohl auch,
weil man durch Roman einen guten Einblick in die glitzernde,
blutsaugende Welt der Plattenfirmen erhält.
1997.
Steven Stelfox ist 27 und arbeitet als A&R – Agent bei einer
großen Plattenfirma. Er hat alles, was den Lifestyle in der
Glitzerwelt ausmacht aber weder einen wirklich populären
Musikgeschmack noch genügend Acts an der Hand, die seine Stellung in
der Firma schützen. Denn nur solange man erfolgreich neue Talente
entdeckt und ansprechend an die Öffentlichkeit verkauft – sprich
möglichst viel Profit macht – kann man bestehen. Es gibt in seiner
Abteilung nur einen Kollegen, Waters, der sich noch schlechter schlägt als
Steven selbst und entsprechend oft als Sündenbock herhalten muss. Trotzdem
steht er mit im Rennen um den Posten zum Chef der A&R –
Abteilung als schließlich der Vorgänger aufgrund von
Fehlentscheidungen abdanken muss. Steven sieht seine Chance aber
auch, dass Waters ihm höchstwahrscheinlich dabei im Wege stehen
könnte, da er beliebter ist.
Hinzu
kommt, dass Steven schon lange nicht mehr nach einer Glückssträhne
greifen konnte und damit genauso wenig vorzuweisen hat wie Waters, da
Steven eigentlich nicht wirklich arbeitet sondern eher sein Gehalt in
Alkohol, Drogen und Sex investiert ( wie der Rest der Firma). Er
entdeckt zu spät oder gar nicht das Potenzial einiger Acts.
Diejenigen, die er unter Vertrag nimmt, sind offensichtlich zum
Scheitern verurteilt. Auf seine Kollegen und deren Erfolge ist rasend
eifersüchtig, aber anstatt an sich selbst und seinen Problemen zu
arbeiten w#hlt er den einfachen Weg – und mordet sich an die
Spitze.
Künstlers
oder das Erweichen der Herzen durch süße Gesänge. Wie sollte es
auch anders sein, wenn man ein so urmenschliches, freies Vergnügen
wie Musik kommerzialisiert? Es geht ums Geld nicht um Gedanken.
So
scheint es auch, dass man für den Beruf des A&R – Agenten nur
zwei (bzw drei) Dinge braucht: ein Paar Ohren und einen Mund. Das
Eine braucht man, um den fremdfabrizierten Mist aufzunehmen, das
Andere, um den selbstfabrizierten Mist ausstoßen zu können. Steven
lügt in einer Tour ohne dabei auch eine Spur rot zu werden und so
tun es auch seinen Kollegen und Kontrahenten. Das Buch ist voller
schnuckelig verpackten, substanzlosen Dialoge der Charaktere. Jeder
kämpft und stirbt schlussendlich für sich allein. Das jedoch hat
Steven verstanden. Geschickt spielt er schlussendlich alle
gegeneinander aus. Alle bezahlen eine nie offen gestellte Rechnung.
John
Niven weiß zu schocken. > Kill your friends < ist ein einziger
Schmelztiegel aus Drogenmissbrauch, kranken Sexfantasien und
brutaler, detaillierter Gewalt. Es gibt keinen Sympathieträger, aber
das ist auch gar nicht vorgesehen. Zum Ende hin ist man so an das
Gemisch aus Gefühlskälte und Dauerrausch gewöhnt, dass Einen genau
diese Taubheit gegenüber dem Chaos wieder geschockt. Man wartet auf
die nächste unwirkliche Grausigkeit – wie im echten Leben.
![]() |
source |
2015
wurde > Kill your friends < mit Nicholas Hoult ( der schon in
der ungepassten Serie >Skins< überzeugen konnte) verfilmt und
von den Kritikern wie Publikum gefeiert. Viele bezeichnen sowohl Buch
als auch Film als den >American Pyscho< des 21. Jahrhunderts.
Die Parallelen sind unübersehbar. Wir lieben es einfach zu sehen,
wenn die mächtigen 1% genauso düstere Triebe ausleben wie der
Pöbel, wenn der goldene Lack langsam absplittert.
liebst
Ellie♥
Mh. Klingt interessant, nur irgendwie hab ich eh nicht vermutet, dass es da oben schöner und sorgenfreier ist als hier und mir ist so gar nicht nach solchen Büchern, also werde ich es, wenn ich es sehe, wohl einfach gekonnt ignorieren. Klingt so, als wäre es eines von diesen Büchern, die einem nicht eine Lektion erteilen wollen (so à la "Karin hat Magersucht - dududu, das ist schlecht, mach das nicht") sondern eines, das einfach nur aufzeigt was tatsächlich passiert, ohne etwas von dir zu erwarten, und solche Bücher sind sehr, sehr gut und sehr, sehr grausam. Ich glaube, dafür bin ich gerade wirklich zu glücklich.
AntwortenLöschenWow, sehr konstruktiv. Also, neues Lebensziel: Nicht berühmt werden.
Alles Liebe,
Mara