Hallihallo,
Für viele war während der Schulzeit eine der
größten Qualen, neben dem Sportunterricht oder allgemein der Zeit zwischen den
einzelnen Pausenklingeln, ein Buch zu lesen, dass im Lehrplan festgeschrieben
stand und dementsprechend bis ins kleinste Detail unter die oftmals lustlose
Schülerlupe genommen wurde. Dabei war es natürlich kein Wunder, dass Kameraden,
die in ihrer Freizeit eh schon selten bis nie ein Buch in die Hand nahmen (
geschweige denn lasen), ihrer Unmut am lautesten Kund taten. Leider waren das,
so wie ich es jedenfalls empfand, in meiner Klasse recht viele Kandidaten.
Insbesondere wenn es an nichtmuttersprachliche Literatur ging.
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So wurde auch ein Buch entnervt stöhnend abgelehnt
und ungelesen von unserer Englischlehrerin fortgebracht, dessen Titel sich
klein Ellie eifrig neben anderen Klassikern niedergeschrieben hatte, jetzt nach
und nach abstottert und dabei entsetzt bemerkt, was für Perlen unsere Lehrer
vor die undankbaren Säue meines Jahrgangs geworfen hätten. Fast bin ich froh,
dass einige unter ihnen „ Die Straße“ von Cormac McCarthy nicht unter die Augen
kamen, da ich sehr stark davon ausgehe, dass sie den Schatz, den dieses Buch
birgt eh nie gefunden hätten.
Cormac McCarthy kam als Sohn von Charles Joseph
und Gladys Christina McCarthy und drittes von sechs Kindern am 20 Juli 1933 in
Providence zur Welt. Ursprünglich erhielt er dabei den Vornamen seines Vaters,
den er aber später in Cormac änderte. Unterschiedliche Quellen haben für seine
Namensänderung unterschiedliche Erklärungen. So heißt es in einer, Cormac habe
sich selbst nach dem irischen König Cormac benannte, eine andere jedoch meint,
dass seine Familie seinen Namen ins Gälische abändern ließ, sodass er fortan
übersetzt „ Charles Sohn“ hieß. Welche Erklärung wirklich stimmt, ist nicht
bekannt, da McCarthy keine der Beiden weder zugestimmt noch revidiert hat.
1937, so viel weiß man wiederum, zog McCarthys
Familie nach Knoxville, wo sein Vater als Anwalt tätig war. Von Knoxville ging
es dann 1967 nach Washington D.C, wo Charles McCarthy bis zu seinem Ruhestand
ebenfalls als Anwalt arbeitete.
Sein Sohn schlug einen anderen Weg ein. Zunächst
studierte er von 1951-52 an der Universität von Tennessee Kunst, dass er auch
mit einem Master in der Tasche abschließen sollte. 1953 unterbrach er sein
Studium fürs Erste und verpflichtete sich vier Jahre bei der United States Air
Force, wovon er zwei Jahre davon in Alaska verbrachte und Moderator eines
dortigen Radioprogramms wurde. Nach Ende seiner Wehrpflicht ging er wieder zur
Uni und beendete sein Studium. Obwohl im der Durchbruch als Schriftsteller erst
nach dem Studium,seiner Ehe mit Lee Holleman 1961und dem anschließendem Umzug
nach Chicago gelang, so schrieb er schon währenddessen immer wieder fleißig
Geschichten die er in der Studentenzeitung abdrucken ließ.
1965 erschien dann sein erster Roman „ Der
Feldhüter „ beim Verlagshaus Random House. Auf die Frage, wieso er ausgerechnet
diesen Verleger gewählt hatte, meinte McCarthy nur, dass er Random House
gewählt hatte, „ weil es der einzige Verlag war, von dem ich gehört hatte.“
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In den darauf kommenden Jahren folgten unzählige,
hochrangige Auszeichnungen und Verfilmungen seinen Werken, bis er 2007 für „
Die Straße“ den Pulitzer-Preis erhielt. Auch dieses Werk wurde erfolgreich
verfilmt.
Privat hält sich McCarthy vom großen Ruhm fern. Er
gibt sehr wenige Interviews und lebt lieber bescheiden mit seiner derzeit
dritten Ehefrau Jennifer Winkley und seinem Sohn in New Mexiko. Auch seine
Berufsgruppe steht er eher kritisch gegenüber. So kenne er keinen
Schriftsteller persönlich sondern zieht den Umgang mit Wissenschaftlern vor.
Das spiegelt sich auch in seinen Schriften wider. An eingenen Aussagen schätzt
er am meisten einfache Aussagesätze und verwendet weder Punkte, Kommas noch
Anführungszeichen in Dialogen um seine Buchseiten nicht unnötigerweise mit „
komischen, kleinen Zeichen zu überstreuen.“.
Wer denkt, dass seine Geschichten so an Tiefe,
Spannung und Inhalt verlieren, der irrt sich gewaltig, wie „ Die Straße“
einschlägig beweißt.
Es ist ein düsteres, postapokalyptisches Amerika
von dem „ Die Straße“ erzählt. Das zerstörte Land und die letzten Überlebenden
sind gleichermaßen äußerlich von einer Schicht Asche bedeckt und innerlich tot.
Tiere gibt es schon lange nicht mehr und von den dortigen Pflanzen sind nichts
als die toten Hüllen geblieben. Dass es überhaupt noch Leben gibt, ist so
unglaublich wie tragisch. Wie es zur Katastrophe kam, wird nicht benannt, da es
nichts an der hoffnungslosen Lage ändert und so wie vieles andere einfach
unwichtig geworden ist. Nur das pure Überleben ist noch wichtig.
Mitten in dieser unwirklichen Welt sind ein Vater
und sein Sohn auf dem Weg nach Süden um dem harten Winter und somit dem
unweigerlichem Tod zu entgehen. Sie wissen nicht, ob sie es überhaupt bis
dorthin schaffen und auch nicht, was, wenn sie dort sind, überhaupt erwartet,
aber dieser kleine Funken Hoffnung ist besser als gar keiner. Sie haben keine
Vergangenheit und keine Zukunft. Nicht einmal Namen tragen die Beiden – wozu
auch? Eine Identität rettet sie auch nicht vor dem Verhungern.
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Anders als die meisten der lebenden Toten, die
durch die Trostlosigkeit streifen und weder von Vergewaltigung noch von
Kannibalismus abgeneigt sind, versucht der Vater nämlich auf rührende Weise
sein eigenes und das Herz seines Sohnes so rein wie möglich zu halten. Seinem
Kind versucht er zu vermitteln, dass sie allzeit die Guten sind und das Feuer
bewahren.
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Der Kontrast zwischen dem kalten Land und der
glühenden Liebe eines Vaters zu seinem Sohn ist so herzzerreißend, dass man
jedes Mal mit ihnen leidet, wenn sie leiden und das eigene Herz vor Glück
überquillt, wenn die Beiden doch einmal von Fortuna geküsst werden. Man wünscht
sich so für sie, dass sie es schaffen, den tödlichen Klauen des Abgrunds zu
entgehen, der sich bereits unweigerlich in ihren Herzen eingenistet hat und nur
noch nach ihrer halbtoten Hülle giert. Gleichzeitig fühlt man die
Hoffnungslosigkeit, die schon lange von Vater und Sohn Besitz ergriffen hat.
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„ Die Straße“ von Cormac McCarthy verzichtet auf
große Phrasen, schwülstige Dialoge – ja selbst auf die literarischen
Formalitäten, an denen man einen Dialog überhaupt erkennt ( Stichwort
„Gänsefüßchen“) und erzählt doch mehr als ein Mensch manchmal verkraftet. In
einer Welt die nur noch aus Staub, Asche und dem beißenden Geruch des Todes
besteht, macht eine detaillierte Beschreibung der Umwelt keinen Sinn und doch
spürt man die Kälte, die diese düstere Atmosphäre in sich trägt. Und dann fühlt
man die heiße, innige Liebe zwischen Vater und Sohn und weiß, dass sie wirklich
das Feuer in sich tragen und dabei kleine Lichter in einer dunklen Welt sind.
Ich habe bisher viele Bücher gelesen, die mich
berührt haben, aber nicht auf diese Weise, wie es „ Die Straße“ von Cormac
McCarthy geschafft hat. Das was sich in mir beim Lesen des Buches abgespielt
hat, kann ich gar nicht wirklich in Worte fassen, so atemberaubend war es. Ich
möchte auch eher, dass jeder, dem das Buch jetzt vielleicht zusagt, es für sich
selbst entdeckt. Den Kampf zwischen Kälte und Feuer muss jeder selbst mit Vater
und Sohn gekämpft haben.
liebst
Ellie♥
Gab es davon einen Auszug im Lehrbuch? Irgendwie erinnert mich das gerade an einen Dialog, der darauf passen könnte, muss ich nochmal nachschauen.
AntwortenLöschenBei solchen besonderen Schreibstilen weiß ich nicht so recht, was ich davon halten soll, kann manchmal interessant sein, an anderen Stellen fühlt es sich nur wie ein Versuch an, sich abzugrenzen und ganz besonders individuell zu sein. Aber an sich klingt das ziemlich spannend, zumindest kommt das mal auf die lange, lange Liste der Bücher, die ich noch lesen will. Und ziemlich langsam abarbeite, weil ich mir zwischendurch doch immer was Anderes kaufe, aber na gut. Vielleicht springt's mir ja mal bei Dussmann ins Auge.
Alles Liebe,
Mara
Ganz recht, " Die Straße" war durch ein Miniauszug in unserem Lehrbuch vertreten. Eben diesen habe ich mir durchgelesen, kurz bevor oder nachdem uns das Buch vorgestellt und abgelehnt wurde. Danach war mir klar, dass ich es lesen muss!
LöschenIch dachte zunächst auch, dass das Weglassen von Satzzeichen nur ein armseliger Versuch ist, sich vom Mainstream abzugrenzen, aber zum Einen zieht McCarthy das ganze ja in allen Büchern durch und es passt einfach zur Handlung. Wenn nichts mehr wichtig ist, außer dem nackten Leben, was für Sinn haben dann Gänsefüßchen.
liebst
Ellie